Ehenichtigkeitsverfahren

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M. Nelles

Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von M. Nelles »

Hallo,

zum Ehenichtigkeitsverfahren habe ich ein paar Fragen:
Kann das Verfahren an jedem späteren Zeitpunkt nach einer Trennung eröffnet werden, auch noch Jahre danach ? Ich würde mal denken schon, da ja aus kirchlicher Sicht die Ehe die ganze Zeit über gegolten hat.
In dem aktuellen Fall ist es so, dass die Frau bereits vor kirchlicher Eheschließung einen anderen Mann "im Hintergrund" gehabt hat und schließlich etwa 2-3 Wochen nach kirchlicher Eheschließung den Mann verlassen hat und zu dem "Hintergründler" gezogen ist. Weiterhin hat die Frau, und dies im Gespräch mit mehreren Familienmitgliedern des Mannes auch offen zu verstehen gegeben, aus der Angst, eine vererbbare Krankheit an ein Kind zu vererben, Nachkommen von vorneherein abgelehnt. Die Frau selbst ist nicht katholisch.

Sind das nicht bereits ausreichende Gründe, die ein für den Mann positiven Ausgang eines Ehenichtigkeitsverfahrens erhoffen lassen können ?

Jedoch ist es so, dass der momentane Aufenthaltsort der Frau unbekannt ist, und sie vermutlich auch nicht als "Beklagte" aussagen würde.
Könnte das Verfahren dennoch abgeschlossen werden, auch wenn die Frau nicht befragt werden kann, sondern z.B. nur Zeugen aus dem familiären Umfeld des Mannes?

Vielen Dank,
M. Nelles
Stefan Ihli

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Stefan Ihli »

Sehr geehrter Herr Nelles,

der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens ist unerheblich. Allenfalls könnte eine sehr späte Einleitung Probleme machen, weil sich Zeugen dann nicht mehr so gut an die Geschehnisse erinnern können. Eine Beteiligung der Frau als Nichtklägerin ist nicht unbedingt nötig, wenngleich wünschenswert. Hier ergibt sich wiederum die Frage der Beweisbarkeit. Wenn genügend Zeugen vorhanden sind, die Aussagen der Frau - möglichst aus der Zeit vor der Heirat - kennen, so ist die Aussage der Frau selber nicht unbedingt nötig.

Der Ausschluss von Kindern wäre an sich durchaus relevant. Freilich kommt die "verantwortete Elternschaft" bei der Frage der möglichen Vererbbarkeit von Krankheiten ins Spiel. Hier wäre zu prüfen, wie der Mann über diese Frage gedacht hat, ob sich also das Paar einig war darin, auf Kinder aufgrund der Erbkrankheit zu verzichten, oder ob die Frau auch gegen den Willen des Mannes Kinder auf jeden Fall ausschließen wollte. Letzteres wäre relevant, ein gemeinsamer Entschluss, momentan auf Kinder zu verzichten und ggf. dem späteren Wunsch des anderen Partners, nun doch Kinder haben zu wollen, nachzugeben, dagegen nicht.

Einen anderen Mann "im Hintergrund" zu haben, deutet auf den Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe oder der ehelichen Treue hin. Dies wäre sicher ein relevanter Nichtigkeitsgrund.

Freundliche Grüße
Stefan Ihli
Palakos

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Palakos »

Sehr geehrter Herr Ihli,

ich habe eine Frage zum Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe.

Die katholische Kirche versteht doch die Unauflöslichkeit der Ehe als absolut, d.h. auch derjenige bricht die Ehe der selbst verlassen wurde und allein im Leben darstand, wenn er erneut heiratet. Diese Sichtweise widerspricht doch aber dem Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden doch wohl (fast) aller Menschen und erschließt sich nicht zwangsweise aus der Bibel. Ist es denn nicht so, dass fast alle Menschen bei der Eheschließung diese absolute Unauflöslichkeit ausschließen? Hinzu kommt, dass bei den Ehevorbereitungsgesprächen durch die Priester nicht darauf hingewiesen wird, dass selbst bei Verlassenwerden, Misshandlungen, Ehebruch, Verfall in Spielsucht und Drogenkonsum, usw. ein absolutes Wiederverheiratungsverbot besteht und der Gläubige gleichzeitig für den Fall des Scheiterns der Ehe ein Zölibatsgelübde ablegt. Dieser Hinweis unterbleibt doch wohl auch deshalb, um Menschen nicht von der kirchlichen Trauung abzuhalten oder zumindest einen inneren Vorbehalt gegen die absolute Unauflöslichkeit der Ehe hervorzurufen. Sind aber solche Ehen wirklich gültig geschlossen, wenn die Verlobten gar nicht wissen, was sie damit erklären und darüber auch nicht aufgeklärt werden?
Engelbert Frank

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Engelbert Frank »

In Absprache mit Herrn Stefan Ihli möchte ich Ihnen antworten.

Auch wenn es dem Rechtsempfinden vieler Menschen widersprechen mag (meinem Empfinden widerspricht es nicht), so ist es doch ein vorbildliches Beispiel der Treue und christlichen Konsequenz, wenn ein Ehepartner, der unschuldig verlassen wurde, zu seinem Jawort steht, das er vor Gott und der Kirche gegeben hat (er hat es ja normalerweise bedingungslos gegeben und nicht nur für den Fall, dass ihn sein Partner nicht verlässt). Ich denke, die charakterliche Größe und Stärke eines Menschen zeigt sich gerade in solchen schwierigen Situationen.

Ich glaube nicht, dass viele, oder wie Sie schreiben, fast alle Menschen bei der Heirat die absolute Unauflöslichkeit der Ehe ausschließen. Denn dazu haben die meisten gar keinen Anlass. Sie rechnen ja vor der Heirat in der Regel nicht damit, dass sie einmal vom Partner verlassen werden.

Richtig ist wohl, dass in den meisten Fällen die Geistlichen bei der Ehevorbereitung nicht auf das absolute Wiederverheiratungsverbot hinweisen. Es bestünde dabei in der Tat die Gefahr, dass die Brautleute zu einem bewussten Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe verleitet oder (was aber seltener der Fall sein dürfte) von der Trauung abgehalten werden. Beides wäre seelsorgerlich schlecht. Denn man sollte den Menschen, die sich lieben und "normal" heiraten wollen, eine kirchlich gültige Ehe ermöglichen.

Eine Ehe wird auch dann kirchlich gültig geschlossen, wenn die Partner bei der Heirat nicht wissen, dass die Ehe sogar den unschuldig Verlassenen bindet. Denn für eine gültige Eheschließung reicht es aus, wenn die Partner nicht in Unkenntnis darüber sind, dass die Ehe eine "auf Dauer angelegte Gemeinschaft" ist (can. 1096 CIC).

Eine Ehe wird erst dann kirchlich ungültig geschlossen, wenn die Unwissenheit (genauer gesagt: der Irrtum) bezüglich der absoluten Unauflöslichkeit den Ehewillen zumindest eines Partners bestimmt (can. 1099 CIC). Das ist zweifellos dann der Fall, wenn sich der betreffende Partner bei der Heirat bewusst vornimmt (den Willen, den Plan und die Absicht hat), die Ehe zu beenden, falls er später einmal verlassen werden sollte (siehe auch can. 1101 § 2 CIC).
Palakos

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Palakos »

Sehr geehrter Herr Frank,
vielen Dank für Ihre schnelle und kompetente Antwort.

Ich möchte jedoch in die Diskussion noch einige Aspekte einbringen.

Einem durch Religions-, Kommunion- und Firmunterricht religiös gebildeten Menschen erschließt sich nicht unbedingt die katholische Sichtweise der Unauflöslichkeit der Ehe. Wenn man die ausführlichste Stelle im Mathäus Evangelium liest, so verurteilt Jesus denjenigen der seinen Ehepartner entlässt, außer bei Unzucht, und einen anderen Heirat. Es muss also ein aktives beenden der Ehe vorliegen, um Ehebruch zu begehen. Der aus der Ehe Entlassene wird von Jesus nicht des Ehebruchs beschuldigt, wenn er wieder heiratet. Das katholische Kirchenrecht sieht dies jedoch anders. Katholiken sind aber größtenteils kirchenrechtlich nicht sonderlich bewandert. Es ist schon überraschend, dass ein von Jesus erlassenes Schutzgebot für die (potentiell) Entlassenen (damals für die Frauen gemeint, da nur Männer die Frauen aus der Ehe entlassen konnten), aufgrund kirchenrechtlicher Vorschriften nun auch gegen die eigentlich zu Schützenden angewandt wird. Menschen die kirchlich heiraten, wollen einfach nur "normal" heiraten und dafür Gottes Segen und Hilfe erlangen. Daraus aber auch eine Zustimmung zur Sakramentalslehre der Ehe, zur Lehre über die absolute Unauflöslichkeit der Ehe und zur Abgabe eines Zölibatsgelübdes für den Fall des Scheiterns der Ehe abzuleiten, geht meines Erachtens zu weit. Eine solch umfassende Willenserklärung wollen doch nur wenige bei einer kirchlichen Eheschließung abgeben. Sie sind hierzu mangels Wissen auch gar nicht im Stande.Da dies bei den meisten Ehevorbereitungen auch nicht thematisiert wird, wird vielen dies erst bewusst, wenn sie nach einer Scheidung wieder kirchlich heiraten wollen. Wenn dies aber bei der Ehevorbereitung nicht thematisiert wird, kann der Ehewillen auch nicht vollumfänglich alle Aspekte der Ehe, wie sie die katholische Kirche versteht, umfassen. Hinzu kommt, dass doch wohl auch viele Priester und Theologen , die Unauflöslichkeit der Ehe als Zielsatz Jesu verstehen und nicht als eine juristische Bestimmung, die notfalls durchgesetzt werden muss. Dies spiegelt sich doch auch im Religionsunterricht wieder, der das Verständnis der Gläubigen beinflusst.

Ich konnte nur einige Aspekte anreißen, die meines Erachtens in der Rechtsprechung zu wenig Beachtung finden. Ich freue mich auf Ihren Beitrag und wünsche Ihnen ein gesegntes Osterfest.

Palakos
Mülberg

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Mülberg »

Hallo,

sehr interessant fand ich die Diskussion über den Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe.

Ich möchte Herrn Frank Recht geben, denn die meisten die kirchlich heiraten, wollen in der Tat bis zum Lebensende zusammen bleiben. Aber nicht nur Katholiken denken so, auch andere Christen und auch Atheisten. Der Unterschied zur katholischen Eheauffassung liegt jedoch darin, dass das Treueversprechen einem konkreten Menschen aus Fleisch und Blut gegenüber abgegeben wird und nicht einem abstrakten Eheband. Es mutet schon eigenartig an, dass eine womöglich über Jahrzehnte nicht mehr gelebte Ehe, weil z.B. die ehemaligen Ehepartner keinen Kontakt mehr haben, dem Bande nach noch bestehen soll. "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist" sagt Gott im Alten Testament. Die Ehe wird doch hier als gelebte Verbindung zwischen Mann und Frau beschrieben und nicht als juristisches Konstrukt, das unempfindlich gegenüber der gelebten Realität um seiner selbst willen vor sich hin existiert. Eine solche Sichtweise kann man meines Erachtens den Eheleuten nicht in den Ehewillen hineininterpretieren, mit der Folge, dass man den Ausschluss der absoluten Unauflöslichkeit nachweisen muss. Wie soll das den praktisch gehen? Sollen die Eheleute lauthals vor einer möglichst großen Anzahl von Menschen erklären, dass sie absolute Unauflöslichkeit der Ehe, wie sie die katholische Kirche vertritt, ablehnen. Oder sollen sie eine notarielle Erklärung unterschreiben. Jeder Mensch hofft und betet doch, dass die Ehe bis zum Lebensende hält und verdrängt doch Zweifel am künftigen Ehepartner. Er will sich doch einem Scheitern auch nicht gedanklich stellen. Ein wirkliches Befassen mit den Folgen und eigenen Handlungsweisen im Falle einer Scheidung findet doch nicht statt.
Warum wird auch bei der Ehe eine absolute Unauflöslichkeit vertreten, wenn doch die Bibel selbst zwei Ausnahmen kennt. (Mathäusklausel und Paulinisches Privileg). Das Tötungsverbot wird doch auch nicht absolut aufgefasst. Notwehr und Nothilfe sind doch erlaubt. Polizist und Soldat darf man als Katholik auch werden, obwohl man Gefahr läuft töten zu müssen.

Ich denke auch wie Herr Palakos, dass die katholischen Kirchengerichte aus dem Umstand, dass Menschen ihr mögliches Scheitern verdrängen, nicht auf eine Zustimmung zur absoluten Unauflöslichkeit der Ehe geschlossen werden kann. Der gescheiterte Gläubige sieht sich plötzlich dem Kleingedruckten gegenüber, das erbarmungslos gegen ihn angewandt wird. "Erbarmen will ich und keine Opfer" sagt Jesus. Die katholische Kirche als fortlebender Christus kann doch nicht so mit ihren Gläubigen umgehen. Auch dies sollten katholische Ehegerichte bedenken.

Viele Grüsse

Mathias Mülberg
Engelbert Frank

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Engelbert Frank »

Bezüglich des rechten Verständnisses der "porneia (Unzuchts)"-Klauseln in Mt 5,32 und Mt 19,9 gibt es eine Fülle von Literatur mit vielen unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Auslegungen. Viele nehmen an, dass es sich hier um ungültige eheliche Verbindungen und nicht um Ausnahmen von der Unauflöslichkeit der Ehe handelt.

Die Unauflöslichkeit der Ehe als ein bloßes Ideal anzusehen oder sie als "Zielsatz (Zielgebot)" zu verstehen, entleert die Aussagen Jesu. Jesus hat die Scheidung absolut verworfen, weil es "am Anfang nicht so war" (Mt 19,8). Er bezeichnet die alttestamentliche Scheidungspraxis eindeutig als Folge der menschlichen Hartherzigkeit. Jesus verweist auf den Anfang der Schöpfung, auf den Schöpferwillen, und fasst seine Lehre zusammen mit den Worten: "Was aber Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen" (Mk 10,9).
Ines Ihler

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Ines Ihler »

Sehr geehrter Herr Ihli,

ich habe eine Frage zum Ehenichtigkeitsverfahren bei (vermuteter) Eheführungsunfähigkeit.

Die Ehepartnerin verhält sich seit Jahren verhaltensauffällig. Sie bekommt Wutausbrüche, mit teilweiser Gewaltanwendung gegen Sachen und wird sehr beleidigend und entwertend. Diese Ausbrüche entstehen wegen Nichtigkeiten, vor allem bei Kritik, und enden mit der Aufforderung an den Ehemann endlich aus der ehelichen Wohnung auszuziehen. Hinzu kommt, dass die Ehefrau 6 Monate nach Kauf einer Immobilie den Ehemann zum Auszug aufforderte. Eine teilweise ruckartige Änderung der Lebensziele liegt auch öfters vor.Der Ehemann konnte eine Ehetherapie bei der katholischen Kirche durchsetzen, der Therapeut verlangte jedoch nach 3 Sitzungen eine Zielrichtung der Therapie (Wiederherstellung der Ehe oder Trennung). Er sei nicht bereit an der künstlichen Verlängerung eines krankmachenden Zustandes, der keine Ehe sei, mitzuwirken. Der Ehemann und die Familie vermuten, dass eine Persönlichkeitsstörung (Borderline allein oder kombiniert mit narzistischer Persönlichkeitsstörung) und/oder ADHS vorliegt. Entsprechende Hinweise aus der Kindheit sind erkennbar. Eine Therapie lehnt die Ehefrau ab, allerdings befindet sich der Ehemann mittlerweile in Therapie auf Anraten seines Hausarztes, da die jahrelangen Beleidigungen und Entwertungen sich mittlerweile negativ auf sein Wohlbefinden ausgewirkt haben. Da die Herkunftsfamilie der Ehefrau verständlicherweise nicht unbedingt bei einem Ehenichtigkeitsverfahren aussagen will, stünden wahrscheinlich nur Zeugen zur Verfügung, die das Verhalten während der Ehe beschreiben könnten. Wie sind hier die Erfolgsauschichten, wenn für eine sichere Diagnose Zeugen aus der Kindheit keine Aussage machen und die Ehefrau auch nicht bereit ist auszusagen bzw. die Unwahrheit sagt.

Vielen Dank für Ihre Antwort.
Dreher

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Dreher »

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu der Diskussion Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe bei Eheschluss kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Bevor ich kirchlich geheiratet habe, habe ich mich an die kirchliche Lehre gehalten und keinen Sex gehabt. Da sich ein Verhältnis verfestigte kam das Thema Sex auf und ich wollte nicht Unzucht begehen und habe deshalb geheiratet. Die Ehe ist gescheitert. Jetzt trifft mich mit unbarmherziger Härte die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe, da angeblich das Eheband noch besteht. Mir hat niemand vorher gesagt, dass ich für den Rest des Lebens allein bleiben muss. Kommunion- und Firmunterricht hatte ich jeweils mehrere Monate bzw. Wochen. Die Ehevorbereitung war mit zwei 45 Minutenterminen erledigt. Bei der Hochzeit sass mir quasi die katholische Sexualmoral im Nacken. Ich überlege mir die Ehe annulieren zu lassen, da unser Papst auf diese Möglichkeit hingewiesen hat. Meine Fragen nun: 1. Gilt auch für mich die Unauflöslichkeit der Ehe, obwohl mir dies niemand gesagt hatte? 2. Bin ich nicht durch die katholische Sexualmoral zur kirchlichen Eheschließung gezwungen worden und habe gar nicht aus freiem Willen geheiratet? Vielen Dank für Ihre Antworten.

Thomas Dreher
Stefan Ihli

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Stefan Ihli »

Sehr geehrte Frau Ihler,

wie Sie die Situation schildern, dürfte hier tatsächlich eine relevante psychische Störung vorliegen. Vielleicht gibt es doch zumindest Zeugen, die die Frau, wenn nicht aus der Kindheit und Jugend, so doch wenigstens aus der Zeit vor der Heirat kennen? Insgesamt kommt es dann vor allem auf die Einschätzung des Fachgutachters an, der in einem solchen Fall herangezogen wird. Je nach Krankheitsbild kann das Verhalten in der Ehe auch Rückschlüsse auf die Zeit vor und bei der Heirat zulassen. Hierfür ist auch erheblich, ab welchem Zeitpunkt Verhaltensauffälligkeiten aus der Ehezeit berichtet werden können, also z. B. praktisch ab der Heirat oder erst nach verhältnismäíg längerer, unauffälliger Ehezeit.

Sehr geehrter Herr Dreher,

die Unauflöslichkeit der Ehe folgt nach Lehre und Auffassung der katholischen Kirche schon aus dem Naturrecht, d. h. ist unabhängig davon gültig, ob sie ausdrücklich gelehrt wird. Für Sie bedeutet das, dass auch Ihre Ehe unauflöslich ist, obwohl Ihnen dies nicht ausdrücklich gesagt wurde.

Eher als zu einem Verfahren mit dem Klagegrund des inneren (empfundenen, nicht von einer anderen Person ausgeübten) Zwangs aufgrund der Sexualmoral würde ich Ihnen raten, sich folgende Fragen zu stellen: Haben Sie vielleicht bei der Heirat die Unauflöslichkeit der Ehe ausgeschlossen bzw. für sich ausdrücklich nur eine auflösliche Ehe schließen wollen? Waren Sie in dem Irrtum befangen, die Ehe sei auflöslich (gerade weil Ihnen niemand die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe dargelegt hat) und wollten auch nur eine solche auflösliche Ehe schließen? Auch dann könnten Sie nämlich ein Eheverfahren anstrengen.

Mit freundlichem Gruß
Stefan Ihli
Dreher

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Dreher »

Sehr geehrter Herr Ihli,

danke für Ihre schnelle Antwort.

Ehrlich gesagt habe ich mir bei der Hochzeit gar keine großen Gedanken gemacht. Als guter Katholik heiratet man einfach kirchlich und nicht nur standesamtlich. Sie haben mir aber Mut gemacht. Ich werde einen Termin bei meinem Kirchengericht zur Beratung vereinbaren. Ich weiss auch nicht, ob ich überhaupt eine neue Beziehung bzw. Ehe eingehen will, aber die Klärung meiner Situation liegt mir schon am Herzen. Im Falle einer neuen Ehe möchte ich ja nicht ein Katholik zweiter Klasse sein. Nochmals vielen Dank und schönes Wochenende.

Thomas Dreher
Johannes

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Johannes »

Sehr geehrter Herr Ihli,

meine Ehe ist gescheitert und ich bin durch meinen Pfarrer auf das Ehenichtigkeitsverfahren aufmerksam gemacht worden. Er nannte mir auch Ihre Homepage.

Meine Ex-Frau stammt aus Osteuropa und ist katholisch. Wir lernten uns kennen und sie zog bei meinen Eltern ein. Wir wohnten dort zusammen. Nach wenigen Monaten bemerkte ich schon eine ausgeprägte Streitsucht, die ich von meiner früheren Freundin nicht kannte. Ich überlegte mir zweimal die Beziehung zu beenden, tat es aber nicht, da ich glaubte dies moralisch nicht vertreten zu können, da sie ja keine Arbeitsstelle mehr in ihrer Heimat hatte. Ich hatte auch schon konkrete Vorstellung über die Trennung, ich wollte ihr nämlich 1000 DM geben als eine Art Rückkehrhilfe in ihre Heimat. Schließlich heirateten wir doch standesamtlich und 1 1/2 Jahre später katholisch. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgangen. Die Ehe scheiterte. Meine Frage ist nun, die moralischen Skrupel, die ich vor der Eheschließung hatte, die Beziehung zu beenden, sind diese eventuell kirchenrechtlich relevant? Habe ich wirklich aus freiem Willen geheiratet oder unter einer Art (innerer)Zwang?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Johannes
Stefan Ihli

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Stefan Ihli »

Hallo Johannes,

ein innerer Zwang kann rechtsrelevant sein. Man muss allerdings im Einzelfall prüfen, ob hier tatsächlich eine Art Furcht oder Zwang vorgelegen hat oder ob es sich nur um eine Heirat aus einem Verantwortungsbewusstsein heraus gehandelt hat. Denn relevant ist nur die schwere psychische Beeinträchtigung, die nicht nur bei Krankheiten, sondern auch dann gegeben sein kann, wenn jemand aus einem innerlich empfundenen Zwang heraus nicht mehr frei für oder gegen die Heirat abwägen kann. Wenn er dagegen durchaus abwägt und sich mit Vernunftgründen aus einem Verantwortungsbewusstsein o. ä. heraus für die Heirat entscheidet, dann war sein Entscheidungsvermögen gerade nicht beeinträchtigt. Sicher können Sie selber am besten einschätzen, wie das bei Ihnen war. Die Abwägung, Ihre Ex-Frau mit einer finanziellen Starthilfe wieder zurückzuschicken, könnte allerdings auf ein durchaus rationales Abwägen hindeuten. Sie selber schreiben ja auch von Skrupeln. Man könnte geneigt sein, Skrupel unterhalb eines Zwangs anzusiedeln. Ein Stück weit ist das auch eine Frage der Einschätzung durch das Gericht. Könnten Sie Ihre Entscheidungsnöte überhaupt nachweisen? Ist jemand darüber informiert? Und mit welcher Einstellung zur Dauerhaftigkeit Ihrer Ehe sind Sie diese überhaupt eingegangen? Wenn Sie aufgrund der vorehelichen Probleme eigentlich nicht mehr heiraten wollten, haben Sie sich dann überlegt, was Sie tun, wenn es in der Ehe weiterhin zu Problemen kommt und die Ehe scheitert (ggf. Trennungswunsch)? Wenn Sie sich die Scheidung Ihrer Ehe vorbehalten haben, so wäre auch dies relevant. Allerdings müsste auch dafür ein Zeugenangebot gemacht werden.

Mit freundlichem Gruß
Stefan Ihli
Jürgen

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Jürgen »

Hallo Herr Ihli,

ich habe folgendes Problem: Meine Frau ist sehr streitsüchtig. Alltagsirritationen werden zu ihr zu riesen Verbrechen meinerseits aufgebauscht. Am Ende von zumeist geringfügigen Streitigkeiten droht sie mir die Trennung an, ohne dass ich mir so grosser Schuld bewusst bin, dass unsere Ehe beendet werden muss. Auch versucht sie künstlich Streit zu provozieren. Sie neigt dazu mich um Erledigungen zu bitten ohne mir die notwendigen Informationen zu geben. Erledige ich die Sache falsch, werde ich wieder von ihr fertig gemacht. Auch verbreitet sie über mich unmögliche Geschichten. Hinzu kommt, dass sie nie zufrieden ist und Sachen die Freunde haben auch sofort haben will, ohne zu fragen ob dies finanziell möglich ist. Wenn ich darauf hinweisen, dass wir dafür andere Sachen haben, sagt sie nur dies sei selbstverständlich und ich könnte der Familie nichts bieten. Auch kommen ihr dauernd andere Gedanken in den Kopf oder werden ihr von Freundinnen eingeredet, die sofort umgesetzt werden müssen. Kann ich dies nicht, wird mir das Ende der Ehe angedroht. Da wir zwei Kinder haben habe ich das bisher ausgehalten. Eine mittel- oder langfristige Lebensplanung ist nicht möglich, da die Ehe ständig und zwar seit Jahren in der Schwebe ist. Eine Eheberatung bei der Katholischen Kirche haben wir gemacht. Der Therapeut meinte dieser Zustand könnte auf gar keinen Fall aufrecht erhalten werden. Meine Frau stimmte dem auch zu und gab der Ehe keine Chance. Seitdem fordert sie mich dauernd auf auszuziehen. Mit dem Gedanken habe ich mich auch abgefunden, zumal ich auch schon gesundheitliche Probleme habe. Da ich auf Dauer nicht allein bleiben möchte, kann ich mir auch vorstellen wieder eine Partnerschaft einzugehen. Meine Frage nun, ist dies was ich durchlebt habe wirklich eine Ehe im Sinne der katholischen Kirche? Besteht die Chance auf eine Annulierung?

Jürgen
Stefan Ihli

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Stefan Ihli »

Hallo Jürgen,

das Verhalten Ihrer Frau ist psychisch sicher auffällig. Inwieweit es im Hinblick auf eine Nichtigerklärung der Ehe relevant ist, müsste näher untersucht werden. Dabei kommt es u. a. darauf an, ob dieses Verhalten bereits vor und bei der Heirat vorlag oder zumindest in dieser Zeit grundgelegt war. Es kommt auf die Aussagen von Zeugen an und bei psychischen Tatbeständen auch immer auf die Einschätzung durch einen Fachgutachter. Relevant ist nämlich nur eine schwere psychische Anomalie, und das Verhalten, das Sie beschreiben, kann nur ein Fachmann diagnostisch sicher einordnen. Schließlich ist die Abwägung des Gerichtes wesentlich. Ich möchte Sie ermutigen, ein Beratungsgespräch bei einem Offizialat in Anspruch zu nehmen, um Näheres abzuklären.

Stefan Ihli
Anette

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Anette »

Hallo Herr Ihli,

mein Mann hat sich nach 10 Jahren Ehe von mir getrennt, da er mich nicht mehr liebt und sich die Ehe, wie er sagt, anders vorgestellt hat. Eine andere Frau ist meines Wissens nicht im Spiel. Bei der Wahl des Ehepartners habe ich bewußt Wert gelegt, dass er ein praktizierender Katholik ist. Ich sah das als eine Art Garantie an, dass die Ehe von Dauer ist. Dass es mal zu einer Trennung und Scheidung kommt, hatte ich mir nie vorgestellt. Sicherlich habe ich auch Ecken und Kanten, aber halte mich nicht für unzumutbar. Ich kann mich an Diskussionen vor meiner Eheschließung mit meinem Vater (er würde als Zeuge zur Verfügung stehen; besteht eigentlich die Möglichkeit die Aussage jetzt schon zu dokumentieren, da mein Vater schon sehr alt ist?) erinnern, in denen ich mein Unverständnis über die Nichtzulassung von verlassenen Ehepartnern zur Wiederverheiratung von Seiten der katholischen Kirche ausdrückte. Ich war damals sehr empört, wie man einen Ehebrecher und einen wiederverheiratet Geschiedenen gleichsetzen kann. Jesus hat doch nur denjenigen des Ehebruchs bezichtigt, der aktiv seinen Ehepartner aus der Ehe entlässt (wie es mir angetan wurde) um jemanden anderes heiraten zu können. Da ich meine Ehe kirchenrechtlich überprüfen lassen möchte, habe ich im Internet recherchiert. Mir sind folgende Ehenichtigkeitsgründe ins Auge gefallen: 1. Mangelnder Ehewille meines Mannes, da er wegen Lapalien die Ehe beendete. 2. Scheidungsvorbehalt meinerseits, da ich die Auffassung der katholischen Kirche, dass jede Wiederverheiratung nach einer Scheidung unabhängig von der Vorgeschichte, Ehebruch sei, immer abgelehnt habe und beim Verlassenwerden mich scheiden lassen wollte und auch wieder heiraten wollte 3. Ausschluss der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe meinerseits. 4. Heirat unter einer Bedingung, dass die Ehe auch als Lebensgemeinschaft bis zum Tod eines Ehepartners hält. Bei verlassen werden bzw. Ehebruch des Partners, wollte ich auch frei sein. Sind alle bzw. einige, der von mir herausgefundenen Ehenichtigkeitsgründe vorliegend?

Anette
Alexandra Kütterer

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Alexandra Kütterer »

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Mitarbeiterin an einer kath. Ehe- und Familienberatungsstelle. Es gibt sehr oft Situationen, wo man als Berater den Hilfesuchenden auch eine Trennungsberatung anbieten muss, da eine Fortführung einer nicht passenden Lebenssituation zu ernsten psychosomatischen Erkrankungen führen kann. Ich weise bei gläubigen Katholiken dann auch immer auf die Möglichkeit der Eheannulierung durch ein Kirchengericht hin. Mir ist bekannt, dass bei psychischen Erkrankungen bzw. Persönlichkeitsstörungen die Eheführungsfähigkeit oft nicht vorhanden ist und dies auch von Kirchengerichten so gesehen wird. Wie ausgeprägt muss aber diese Erkrankung sein, damit eine Ehe annuliert wird? Muss eine Diagnose nach ICD bzw. DSM vorliegen? Oft ist es in der Praxis unmöglich schwierige Charaktere von Erkrankungen abzugrenzen. Die Grenzen sind hier fließend. Gleichwohl kann das soziale Umfeld und der Ehepartner erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden, obwohl noch kein Vollbild einer Persönlichkeitsstörung oder psych. Erkrankung vorliegt. Ist auch hier eine Annulierung möglich? Die dritte Frage bezieht sich auf gescheiterte Ehen aufgrund der Tatsache, dass die Ehepartner aufgrund von Perönlichkeitszügen einfach nicht zusammen passten, mit einem anderen Partner aber sehr wohl eine glückliche Ehe führen können. In der Fachliteratur findet man hierzu umfangreiches Material. Meines Wissens annulieren nordamerikanische und niederländische Kirchengerichte auch solche Ehen. Wie sieht dies in Deutschland aus?
Um Menschen die in unsere Beratungsstelle kommen eine Perspektive aufzeigen zu können, wäre die Beantwortung der von mir aufgeworfenen Fragen sehr hilfreich. Danke.

Alexandra Kütterer
Mülberg

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Mülberg »

Zum Diskussionsbeitrag von Engelbert Frank:

Die Auffassung von Herrn Frank, dass die Unzuchtsklausel im Matthäus Evangelium lediglich solche Ehen meint, die von Anfang an unzüchtig waren, also Ehen zwischen engen Verwandten, ist wohl schon aus dem Textzusammenhang zu widerlegen. Dies würde sonst bedeuten, dass auch derjenige der eine unzüchtige (nichtige)Ehe eingegangen ist, lediglich seinen Ehepartner entlassen darf, nicht aber (erneut) heiraten darf. Es ist doch hier offensichtlich eine Situation gemeint, die n a c h Beginn der Ehe eingetreten ist. Es gehören schon gewisse Gedankenverrenkungen dazu aus dieser Stelle nur die Erlaubnis zum Entlassen abzuleiten, eine erneute Eheschließung aber zu verbieten. Dies gibt doch der Text gar nicht her. Mir stellt sich die Situation anders dar. Mit dem Wirken von Augustinus wurde die Einstellung der Kirche gegenüber allem Sexuellen zunehmend kritisch und ablehnend. Man suchte nach möglichst vielen Gründen um Menschen zu einem zölibatärem Leben zu zwingen. Zur Sicherung der Fortpflanzung wurde die Ehe, unter Zurückstellung schwerster Bedenken, als eine Art juristischer Erlaubnistatbestand zum sündenfreien Geschlechtsverkehr umgedeutet. Scheitert die Ehe, tritt sofort die eigentlich ohnehin generell bestehende Zölibatspflicht wieder in Kraft. Dieser Ehebegriff hat doch aber nichts mit dem biblischen Ehebegriff zu tun. Auch ist für mich schwer nachvollziehbar, wie es von Formalien abhängen soll, ob man ein Ehebrecher ist oder nicht. Beispiel: Ein Mann ist standesamtlich verheiratet und hat mit seiner Frau vier Kinder. Er lernt eine andere Frau kennen und verlässt seine Familie. Die neue Frau kann er sogar kirchlich heiraten, obwohl er nach der Definition von Jesus Ehebruch begangen hat. Ja er beendet sogar ein Unzuchtsverhältnis. Ein verlassener kirchlich verheirater Ehepartner wird dagegen zum Ehebrecher, wenn er standesamtlich heiratet. Ist das wirklich im Sinne Jesu, der eigentlich immer formaljuristische Sichtweisen ablehnte (vgl. Sabbathfrage)?

Mathias Mülberg
Stefan Ihli

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Stefan Ihli »

Hallo Anette,

wie ich Ihre Situation beurteile, dürften insbesondere die Nichtigkeitsgründe 2-4 vorliegen bzw. auch weitgehend in eins fallen. Gerade die genannten Gründe 2 und 3 sind dasselbe. Letztlich dürfte auch Grund 4 bei Ihnen dasselbe meinen, denn ich frage mich, ob Sie damals wirklich sich gesagt haben, die Ehe solle für Sie nur dann Gültigkeit besitzen, falls Sie nicht verlassen werden. Haben Sie in diesen Kategorien gedacht oder haben Sie nicht vielmehr, wie Sie ja in den Gründen 2 und 3 angeben, aktiv an Scheidung gedacht? Es macht auch keinen großen Unterschied für das Verfahren. Relevant wäre die von Ihnen beschriebene Einstellung auf jeden Fall. Unter bestimmten Bedingungen, wie z. B. wenn mit dem Ableben oder einer schweren Erkrankung eines Zeugen zu rechnen ist, kann seine Aussage im Verfahren auch vorrangig protokolliert werden. Der von Ihnen genannte Nichtigkeitsgrund 1 dürfte in dem Sinne, dass Ihr Mann gar keine Ehe angestrebt hat, wohl eher nicht vorliegen. Ich könnte mir aufgrund seines Verhaltens eher eine Einstellung vorstellen, die Ihrer Haltung zur Unauflöslichkeit ähnlich ist. Man könnte also z. B. die Gründe 2/3 auf beiden Seiten untersuchen.

Stefan Ihli
Anette

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Anette »

Hallo Herr Ihli,

Danke für Ihre schnelle Antwort.

Eine Frage habe ich noch zur Protokollierung der Aussage meines Vaters. Da ich noch auf den zivilen Scheidungstermin warte, läuft noch kein Eheannulierungsverfahren beim Kirchengericht. Meines Wissens muß das staatliche Verfahren abgeschlossen sein, bis man mit dem kirchlichen Eheannulierungsverfahren beginnen kann. Zwei Fragen: 1. Kann man das Verfahren auch vor dem Scheidungsurteil beginnen? 2. Falls dies nicht möglich ist: Kann die Aussage meines Vaters protokolliert werden (vor Pfarrer, Notar, Kirchengericht), obwohl noch kein Annulierungsverfahren eröffnet wurde?

Ich möchte Ihnen auch Lob und Dank für Ihre Homepage aussprechen, da sie vielen Menschen die in ähnlichen Situationen sind wie ich, doch die Hoffnung gibt, im Einklang mit der katholischen Kirche wieder eine glückliche Beziehung und Ehe eingehen zu können.

Viele Grüße und Gottes Segen

Anette
Stefan Ihli

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Stefan Ihli »

Hallo Anette,

das Ehenichtigkeitsverfahren ist prinzipiell unabhängig vom staatlichen Scheidungsverfahren. Der kirchliche Richter hat lediglich darauf zu achten, ob noch eine Versöhnung der Parteien möglich ist, was dann auszuschließen ist, wenn bereits die Scheidung läuft oder ausgesprochen ist. Die Handhabung bei den einzelnen Offizialaten ist hier etwas unterschiedlich, doch sollte zumindest die Einleitung eines Nichtigkeitsverfahrens noch vor Abschluss des Scheidungsverfahrens auf keinen Fall ein Problem darstellen. Dann kann auch die Aussage Ihres Vaters protokolliert werden. Im Einzelfall sind auch vorprozessuale Beweiserhebungen denkbar.

Sehr geehrte Frau Kütterer,

auf eine Diagnose nach ICD oder DSM wird es im Einzelfall nicht ausschließlich bzw. zwingend ankommen. Relevant sind schwere psychische Anomalien. Das schließt natürlich in der Mehrzahl der Fälle auch eine entsprechende Diagnose nach den einschlägigen Manuals ein. Daraus ergibt sich auch, dass eine Situation ohne Persönlichkeitsstörung im Regelfall nicht zu einer Annullierung führen wird. Die Spruchpraxis der Offizialate ist hier unterschiedlich, wenn auch tendenziell aufgrund päpstlicher Ansprachen eher restriktiver geworden, so dass genauer auf den Schweregrad der psychischen Beeinträchtigung geachtet wird. Es ist zu fragen, ob der Betroffene aus Gründen psychischer Natur entweder die wesentlichen ehelichen Rechte und Pflichten bei der Heirat nicht erkennen oder nicht übernehmen bzw. erfüllen konnte. Man fragt also nach einer Unmöglichkeit, nicht nach einer Schwierigkeit. Ein "schwieriger Charakter" alleine wird daher für eine Nichtigerklärung nicht ausreichen.

Hinsichtlich der Frage einer so genannten relativen psychischen Eheunfähigkeit, die Sie zuletzt ansprechen, gehen die Ansichten auseinander. Die herrschende Meinung ist zur Zeit eher, dass dies nicht relevant ist. Als aktuelle Literatur kann ich Ihnen dazu nennen: Krzysztof Górski, Das personenbezogene Eheverständnis und relatives Erfüllungsunvermögen, Frankfurt a. M. u. a. 2006.

Vielen Dank, dass Sie Klienten auf die Möglichkeit der Ehenichtigkeitsverfahren aufmerksam machen. Neben der psychischen Beratung sind diese eine wichtige Hilfe, damit die Betroffenen ihre Situation in der Kirche klären können.

Mit freundlichem Gruß
Stefan Ihli
Alexandra Kütterer

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Alexandra Kütterer »

Sehr geehrter Herr Ihli,

sie haben mir sehr geholfen. Ich finde bei den Hilfesuchenden nämlich oft die Situation vor, dass die psychisch auffällige Seite keine Einsicht zeigt und der Ehepartner unter sehr hohem Leidensdruck steht. Die Problematik des Burn Out Syndroms sei hier nur erwähnt. Viele Paare spüren auch seit Jahren, dass ihre Ehe zur Qual wird, scheuen aber den Schritt zu einer Beratungsstelle, damit ihnen nicht von Dritter Seite eine Trennung nahe gelegt wird. Viele praktizierende Katholiken gehen gerade nach meiner Erfahrung nicht zur Beratung, da sie fürchten dies könnte das Ende der Ehe bedeuten, was ihrem Glauben widerspricht. Wenn sie dann doch kommen, ist es oft schon zu spät und die Beratung wird quasi als Beginn der Abwicklung der Ehe verstanden. Viele Ehen könnten gerettet werden, wenn die Paare früher kämen. Für viele ist es dann doch ein Trost, dass das was sie durchlebt haben, sehr oft auch vor Gott und im Sinne der katholischen Kirche keine Ehe war.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest.

Alexandra Kütterer
Cedric Hofmann

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Cedric Hofmann »

Sehr geehrte Damen und Herren,

bezüglich eines Scheidungsvorbehaltes habe ich eine Frage. Meine kirchlich geschlossene Ehe aus der auch zwei sehr liebe Kinder hervorgegangen sind, ist gescheitert und staatlich geschieden. Ich möchte die Ehe auch kirchenrechtlich annulieren lassen. Meine Frau hat mich jahrelang aufgefordert auszuziehen und mich schikaniert und gedemütigt. Schließlich nach 3 sehr harten Jahren habe ich das auch getan. Für diesen Fall (auch beim dauernden Ehebruch des anderen) war ich aber immer der Meinung, dass die Auffassung der katholischen Kirche nicht richtig ist, dass der Verlassene/Betrogene/Misshandelte für immer allein bleiben müssen. Ich habe zwar das Eheprotokoll unterschrieben, bei dem ich die Unauflöslichkeit der Ehe anerkannt habe, aber nur deswegen, weil ich nicht damit rechnete, dass die von mir oben genannten Ausnahmen, einmal bei mir eine Rolle spielen könnten. Ich habe schließlich bewusst eine praktizierende Katholikin geheiratet. Vielleicht hätte ich aber auch auf andere Eigenschaften meiner Ex-Frau achten sollen und nicht nur auf die Religionszugehörigkeit. Wenn mich jemand heute fragt, würdest Du einen Menschen töten, würde ich spontan und ehrlich sagen:"Nein niemals!" Wenn nun meine Kinder oder ich aber am Leben bedroht werden und ich diese Gefahr nur durch die Tötung eines anderen abwenden könnte, würde ich töten. So ist es mit meiner Aussage zur Unauflöslichkiet der Ehe. Generell bin ich schon der Meinung, dass man bis zum Lebensende zusammen bleiben sollte, aber nicht ausnahmslos. Beim Brautunterricht hat der Priester die Lehre von der ausnahmslosen Unauflöslichkeit der Ehe nicht erläutert, ich hätte dann, zumindest innerlich, einen Scheidungsvorbehalt für die genannten Fälle gesetzt. Ich könnte in einem Verfahren auch Zeugen benennen, die die Diskrepanz zwischen meinem Begriff von Unauflöslichkeit der Ehe und dem der Kirche bezeugen könnten. Mir war diese Diskrepanz auch bewusst. Ob ich in Angesicht des Priesters und meiner damaligen Verlobten mich getraut hätte, diese Vorbehalte beim Gespräch anzumelden und ins Protokoll aufnehmen lassen, weiss ich nicht mehr. Dann hätte mich doch wahrscheinlich der Priester auch nicht getraut. Liegt Ihrer Meinung nach hier ein Scheidungsvorbehalt bei mir vor?
Raimund

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Raimund »

Hallo,

in Canon 1095 Absatz 3 CIC wird davon gesprochen, dass wer durch postiven Willensakt die Ehe selbst oder ein Wesenselement der Ehe ausschließt, ungültig heiratet. Wie ist der Begriff "positiver Willensakt" definiert? Ich stehe gerade vor der Frage, ob ich meine gescheiterte Ehe annulieren lassen soll. Für mich war immer unverständlich, warum die katholische Kirche auch allein gelassenen Ehepartner die Wiedervereiratung verbietet. Bei meiner kirchlichen Eheschließung war mir die Diskrepanz zwischen meiner Eheauffassung und der der katholischen Kirche bewusst, habe das aber nicht problematisiert, da ich davon ausging, dass meine Ehe hält. Ich war bisher der Meinung, dass ich es vor dem Altar ernst gemeint habe und keinen Scheidungsvorbehalt hatte. Wenn ich mir die Diskussion auf Ihrer sehr gut gestalteten Seite anschaue, könnte bei mir nicht ein Auschluss der Unauflöslichkeit der Ehe und damit eines Wesenselements der Ehe im Sinne der katholischen Kirche vorliegen? Habe ich durch meine abweichende Meinung einen positiven Willensakt gesetzt?
Engelbert Frank

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Engelbert Frank »

@ Cedric Hofmann (06.06.2007)

Sie schreiben, dass Sie entgegen der Lehre der katholischen Kirche allgemein, also unabhängig von der Beziehung mit Ihrer geschiedenen Frau, der Meinung gewesen seien (und bis heute sind), dass der verlassene, betrogene oder misshandelte Partner nach einer staatlichen Scheidung nicht "für immer allein bleiben" müsse. Vor und bei Ihrer Heirat hätten Sie aber nicht damit gerechnet, dass ein solcher Fall (verlassen, betrogen oder misshandelt werden) in Ihrer Ehe einmal "eine Rolle spielen" könnte. Wenn allerdings der Geistliche beim Ehevorbereitungsgespräch darauf eingegangen wäre, hätten Sie "zumindest innerlich einen Scheidungsvorbehalt für [diese] Fälle gesetzt".

Ihre inzwischen zerbrochene Ehe wäre dann kirchlich ungültig geschlossen worden, wenn Sie vor und bei der Heirat nicht nur im Blick auf die Ehen anderer die von Ihnen erwähnte allgemeine Einstellung gehabt hätten, sondern Sie darüber hinaus zu der Absicht und dem Entschluss gekommen wären, sich auch von Ihrer geschiedenen Frau bei Eintritt bestimmter Ereignisse (verlassen, betrogen oder misshandelt werden) wieder scheiden zu lassen (die Ehe zu beenden und frei zu sein, eine neue Ehe zu schließen).

Ich halte es in Ihrem Fall für sinnvoll, dass Sie sich an ein katholisches Kirchengericht (auch Erzbischöfliches/Bischöfliches Offizialat oder Konsistorium genannt) wenden. Dort kann in einem Beratungsgespräch genauer geprüft werden, ob Sie Ihre Ehe kirchlich ungültig geschlossen haben. Wenn Sie sich am kirchlichen Gericht der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart (Bischöfliches Offizialat Rottenburg) informieren wollen, können Sie bei mir anrufen unter der Nummer 07472 169-525. Sie finden uns auch im Internet unter http://recht.drs.de ("Bischöfliches Offzialat" anklicken).


@ Raimund (11.06.2007)

Für die katholische Kirche ist eine Eheschließung ungültig, wenn die Ehe selbst oder etwas, was nach der Lehre der Kirche wesentlich zur Ehe gehört (z. B. die Unauflöslichkeit), durch "positiven Willensakt" ausgeschlossen wird (can. 1101 § 2 CIC). Zu einem positiven Willensakt gehören drei Dinge:

1. Es muss der Wille betroffen sein (nicht nur das [theoretische] Denken und Überlegen).

2. Es muss ein Akt des Willens vorliegen, das heißt ein Entschluss, etwas Bestimmtes zu tun (z. B. sich scheiden zu lassen, wenn ein bestimmtes Ereignis eintreten sollte).

3. Der Wille muss positiv auf etwas (z. B. die Scheidung bei Eintritt bestimmter Ereignisse) gerichtet sein, das heißt er muss einer Sache (z. B. der Scheidung) zustimmen und darf nicht untätig sein (gar nicht wollen).

Ob es sich im Einzelfall um einen positiven Willensakt handelt, sollte ein Fachmann des kirchlichen Rechts prüfen. Deshalb empfehle ich Ihnen, dass Sie sich an ein katholisches Kirchengericht (auch Erzbischöfliches/Bischöfliches Offizialat oder Konsistorium genannt) wenden. Dort kann in einem Beratungsgespräch genauer geprüft werden, ob Sie Ihre Ehe kirchlich ungültig geschlossen haben. Wenn Sie sich am kirchlichen Gericht der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart (Bischöfliches Offizialat Rottenburg) informieren wollen, können Sie bei mir anrufen unter der Nummer 07472 169-525. Sie finden uns auch im Internet unter http://recht.drs.de ("Bischöfliches Offzialat" anklicken).
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