Ehenichtigkeitsverfahren

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Engelbert FRANK

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Engelbert FRANK »

Sehr geehrter Herr Henke,

wenn Sie die Unauflöslichkeit der Ehe nicht nur allgemein (unabhängig von der Beziehung mit Ihrer Frau) ablehnten, sondern diese allgemeine Einstellung vor und bei der kirchlichen Trauung bewusst auch auf Ihre eigene Ehe angewandt haben, wäre die Eheschließung nach dem Recht der katholischen Kirche ungültig und Sie könnten versuchen, das in einem kirchlichen Eheverfahren nachzuweisen.

Ich empfehle Ihnen ein Beratungsgespräch an einem katholischen Kirchengericht (auch Erzbischöfliches/Bischöfliches Offizialat oder Konsistorium genannt). Bei einem solchen Gespräch kann am besten geprüft werden, ob es Hinweise auf diesen Eheungültigkeitsgrund gibt und ob er beweisbar ist. Möglicherweise hat man in Ihrem Fall auch Anhaltspunkte für andere Ungültigkeitsgründe, die leichter nachgewiesen werden können.

Wenn Sie sich am kirchlichen Gericht der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart (Bischöfliches Offizialat Rottenburg) informieren wollen, können Sie bei mir anrufen unter der Nummer 07472 169-525 oder mir schreiben (Bischöfliches Offizialat, Engelbert Frank, Postfach 9, 72101 Rottenburg am Neckar). Sie finden uns auch im Internet unter http://recht.drs.de (Menüpunkt "Bischöfliches Offizialat").
tOM74

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von tOM74 »

Werte verlassene und ehetreue Menschen,

ein Kirchengericht ist das Gericht einer Religionsgemeinschaft. In Deutschland urteilten Kirchengerichte noch bis 1879 auch in weltlichen Angelegenheiten, vor allem im Bereich des Eherechts. Mit Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) setzte sich der Gedanke der Staatlichkeit der Gerichte durch. Urteile geistlicher Gerichte sind seither ohne bürgerliche Wirkung sein, der Bestand der Kirchengerichte als solche blieb aber unberührt; im Innenverhältnis regeln die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbständig (grundrechtlich garantiertes kirchliches Selbstbestimmungsrecht), d.h. wollten Sie vor der Kirche, die eine Auflösung der Ehe ohne Tod nicht anerkennt, erneut heiraten, so würde diese ihren Segen nicht geben und selbst bei rechtswirksamer Scheidung oder zivilrechtlicher Annullierung eine kirchliche Eheschließung verweigern.

Aber genau da ist ja der Punkt: falls Sie vor Gott Zeugnis ablegen wollen und Gottes Segen für das Bündnis der Ehe haben möchten, so ist das ein ganz intimes vertrauliches Band zwischen Ihnen allein und Gott! Glauben Sie an Gott oder an die Kirche, eine von Menschen erschaffene Institution? Sicherlich entwickeln die Kirchengemeinden positive Strömungen in der Welt, allerdings ist wie bei allem nicht alles Gold was glänzt. Ein allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott braucht keinen Stellvertreter auf Erden. Glaubens- und Projektgemeinschaften sind ja ok, aber das darf niemals zum religiösen Gruppenzwang ausarten. Ich jedenfalls lasse mir von keiner religiösen Vereinigung irgendwelche Rechte vorschreiben, noch dazu wenn sie zum Teil sogar antike heidnische Brauchtümer fortführt und sich anmaßt, eigens Sünden zu vergeben. Religion ist nicht gleich Glaube. Der Glaube aber ist entscheidend. Es kommt nicht darauf an, was auf dem Etikett steht, sondern was tatsächlich drin steckt. Was wäre denn, wenn ich einsam auf einer Insel oder auf einem Berg wohnen würde; sollte ich dann vor Gott weniger Wert sein, als jemand der in der Stadt wohnt und formell Mitglied im Kirchenverein ist?! Sicher nicht! Es kann also nicht sein, dass der Glaube mit der Glaubensgemeinschaft steht und fällt, in der man sich bewegt. Geurteilt wird nebenbei im Jüngsten Gericht!

Ein jeder möge also glauben, was er will, er muss aber auch entscheiden, ob jetzt Gott und Jesus als sein Abbild auf Erden der Maßstab ist oder ob der rein menschlichen Mutter Maria, sonstigen Personen bzw. einer Kirchenorganisation darüberhinaus eine Rolle zugeschrieben wird, die dieser/diesen nicht zukommt.

Im konkreten Fall heißt das für mich, dass Gott nicht will dass wir Menschen alleine sind, wie es schon in der Schöpfungsgeschichte heißt. Wenn mich die Person verlässt und einem anderen Leben nachhängt, dann ist zwar schon zunächst zu unterscheiden, ob es weiterhin Sinn macht, der Person die eheliche Hand zu reichen. Gerade wenn man aber vor und mit Gott erkennen muss, dass der auf Beidseitigkeit beruhende Ehebund endgültig zerrüttet ist, dann kann auch nicht mehr nach dem Gleichnis des Verlorenen Sohnes mit einer Rückbesinnung des ehemaligen Partners gerechnet werden. Gott lässt jedem Menschen seinen freien Willen, sei es nun zum Guten oder zum Bösen. Nur so sind auch die gefallenen Engel zu erklären. Fällt ein Ehegatte vom Glauben an die eigene Ehe ab, so wäre ich der Letzte, der mit dem Finger auf diesen Menschen zeigt, da seine freie Willensentscheidung allein in seiner Verantwortung liegt. Ich wäre aber auch der Letzte, der dem zurückgelassenen Ehegatten verbieten wollte, ein neues göttliches Ehebündnis herzustellen, da sich diese Person nichts Verwerfliches vorzuwerfen hat. Zwar hat kein leiblicher Tod den Bund der Ehe geschieden, dennoch aber lebt der Geist, der zum Ehebündnis geführt haben mag, nicht mehr im Ehegatten, der seinen Ehegatten (w/m) verlassen hat.

Was die zivilrechtliche Seite und die eingangs gestellte Frage anbelangt, so wird es besonders nach langer Ehedauer schwierig sein, einen Ehenichtigkeitsgrund nachzuweisen, denn dieser müsste ja genau im Zeitpunkt der Eheschließung vorgelegen haben, so dass in den meisten Fällen ausschließlich eine (einvernehmliche) Scheidung in Betracht kommt. Wer sich zusätzlich noch mit Kirchenrecht beschäftigen möchte, der macht sich daneben noch eine zweite Baustelle auf. Allerdings geht es dabei im Wesentlichen um das Thema "Voraussetzungen für eine Wiederheirat". Ich wünsche keinem, dass er in solch eine missliche Situation kommt und wünsche den Betroffenen viel Kraft und Mut, gegebenenfalls ein "neues Leben" anzufangen, so wie es jedem Menschen auch mit einer geistigen Taufe, die von Herzen kommt, grundsätzlich zusteht.
Gast

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Gast »

Sehr geehrter Herr Frank,

eine Nachfrage habe ich zur Ihrer vorstehende Stellungnahme. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand allgemein die Unauflöslichkiet der Ehe ablehnt, dies aber für die eigene Ehe nicht gelten soll. So jemand müßte ja schon Masochist sein, dass er etwas anderen zugesteht, sich selbst das aber nicht.

Was heißt eigentlich Unauflöslichkeit der Ehe im Sinne der katholischen Kirche? Für mich, dass ich mich an das 6. Gebot halte "Du sollst nicht Ehe brechen". Was ist aber wenn der Ehepartner die Ehe gebrochen hat bzw. man allein zurückgelassen wurde. Das ist doch kein Verstoss gegen das 6. Gebot, wenn man dann wieder heiratet. Das scheint ja aber die katholische Kirche scheinbar und irrigerweise so zu sehen. Niemand hat doch bei der kirchlichen Hochzeit gelobt, für den Rest des Lebens allein zu bleiben, wenn er verlassen wird. Fälle wie Mißhandlungen, Beleidungen, Fremdgehen usw. schließt doch jeder vernünftige Mensch von seinem Treuversprechen aus, auch wenn er nicht das ausdrücklich vor dem Altar sagt. Das weiß doch auch die katholische Kirche, nimmt es aber stillschweigend hin. Andernfalls müßte sie in den Ehevorbereitungen den Gläubigen sagen, dass sie ein Keuschheits- und Zölibatsgelübde für den Fall des Scheiterns der Ehe abgeben. 90% würde dann schlagartig klar werden, was sie da eigentlich erklären sollen und würden dankend auf die kirchliche Hochzeit verzichten. Das will natürlich die Kirche nicht und lockt die Menschen in die "Unauflöslichkeit", indem sie das Kleingedruckte verschweigt, ähnlich einem Versicherungsvertreter.

Bei mir persönlich stellt sich nun folgendes Problem:

Meine Ehe ist gescheitert. Ich vermute eine Persönlichtkeitsstörung bei meiner Ex. Nachweisbar wird das schwer sein, da sie nie eine Behandlung begann. Es stehen also nur Zeugen für die Ausbrüche zur Verfügung. Da wir auch Kinder haben, würde ich ungern auf den Psychoweg gehen, da mit Sicherheit das Verhältnis zu den Kindern leiden würde. Wer läßt sich schon gerne sagen, dass er was an der Klatsche hat. Ich tendiere deshalb dazu den Ausschluß der Unäuflöslichkeit der Ehe, so wie sie die katholische Kirche sieht, als Nichtigkeitsgrund bei mir und bei meiner Ex anzugeben. Ich habe das 6. Gebot immer so verstanden, dass ich nicht die Frau austauschen darf gegen eine andere die mir besser gefällt. Aber nie als Verpflichtung allein zu bleiben, wenn ich sitzen gelassen werde.

Genügt dies zur Annulierung? Oder soll ich um mehr Argumente zu haben auch die von mir vermutete Persönlichkeitsstörung bei Einreichung der Klage angeben?
Engelbert FRANK

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Engelbert FRANK »

Vielen Dank für Ihren guten Beitrag, mit dem Sie auf die entscheidenden Punkte beim Ausschluss der Unauflöslichkeit der Ehe eingehen. Gerne äußere ich mich zu Ihren Fragen und Überlegungen:

1. Wenn jemand nur im Blick auf die Ehen anderer (im Blick auf Ehen allgemein) der Auffassung ist, dass bei Eintritt bestimmter Ereignisse eine Scheidung (und Wiederheirat) richtig ist, so macht das die Eheschließung für die katholische Kirche noch nicht ungültig. Erst dann, wenn jemand vor und bei der Heirat auch auf seine eigene Ehe hin so denkt und den Entschluss fasst, dass er sich von seiner Frau bei Eintritt dieser Ereignisse später wieder scheiden lassen wird (mit dem Recht, eine neue Ehe zu schließen), kommt keine kirchlich gültige Ehe zustande. Partner, die sich lieben und gut verstehen, haben aber normalerweise keinen Grund oder Anlass dafür, schon vor und bei der Heirat über eine Scheidung ihrer eigenen Ehe nachzudenken und einen solchen Entschluss zu fassen.

2. Die katholische Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe besagt in der Tat, dass man auch als unschuldig Verlassener nicht das Recht hat, eine neue Ehe zu schließen. Das heißt: Man bleibt an sein Eheversprechen auch dann gebunden, wenn der andere Partner es bricht. Die katholischen Priester müssen deshalb (und sie tun es wohl auch mehr oder weniger deutlich) bei der Ehevorbereitungen den Partnern sagen, dass sie bei der Heirat ein, wie Sie schreiben, "Keuschheits- und Zölibatsgelübde" für den Fall des Scheiterns der Ehe ablegen.

3. Ob Ihre zerbrochene Ehe wegen eines bewussten Ausschlusses der Unauflöslichkeit der Ehe auf Ihrer Seite (im Sinne von Punkt 1 und 2) kirchlich für ungültig erklärt werden kann, würde ich bei einem Beratungsgespräch an einem katholischen Kirchengericht (auch Erzbischöfliches/Bischöfliches Offizialat oder Konsistorium genannt) klären lassen. Man wird Sie bei dem Gespräch auch darüber informieren, ob es in Ihrem Fall für Sie einfacher ist, die Persönlichkeitsstörung Ihres geschiedenen Mannes als Grund für die Ungültigkeit der Eheschließung vorzubringen.
Gast

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Gast »

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Muß aber nicht die Kirche bei der Beurteilung in Ehenichtigkeitsfragen auch die heutige gesellschaftliche Realität sehen. Es ist klar, wer in einem 100% katholischen Umfeld aufgewachsen ist, für den mag das alles logisch erscheinen, insebsondere dann wenn man Jahre bzw. Jahrzehnte als Priester zölibatär gelebt und überhaupt keinen Bezug zur Realität hat.

Berücksichtigt denn ein Kirchengericht überhaupt nicht, ob die Lehre der katholischen Kirche von den Eheleuten überhaupt verinnerlicht wurde oder vielleicht sogar abgelehnt wurde? Wie soll man denn etwas aktiv etwas ausschließen, was man in seinem Ehewillen gar nicht eingeschlossen hat.

Zu Ihrem Argunent, man hätte zu beginn einer Ehe keinen Anlass an Scheidung zu denken, kann ich nur sagen, das hat man schon, angesichts einer Scheidungsquote von über 30%.

Anderes Beispiel, wenn ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag abschließe, verzichte ich damit auch darauf, mir eine neue Arbeit zu suchen, wenn ich arbeitslos werde? Ich gehe natürlich davon aus, dass ich dort bis zur Rente bleiben kann.

Auch ist es nicht richtig, dass die Priesterschaft die Lehre 100% teilt. Viele Bekannte wurden nach einer Scheidung von einem kath. Priester gesegnet, nach der standesamtlichen Wiederverheiratung. Die Priester an der Basis haben hier sehr wohl eine differenzierte Meinung. Leider will das in Rom niemand hören. Die Kirche schadet sich letztendlich selbst damit. Was ist mit Kindern von Wiederverheirateten? Stammen diese wirklich aus einem Ehebruch? Ist ihr Zuhause ein Sündenpfuhl? Warum kommen in dieser Frage, die christlichen Kirchen Orthodoxie, evang. Kirche in denen die Priester heiraten dürfen zu einer anderen Auffassung? Warum hat die katholische Kirche im 1. Jahrtausend, als ihre Priester noch heiraten durften, selbst eine andere Sakramentspraxis geübt?

Mit Jesus läßt sich das alles nicht begründet. Hat er nicht gesagt: "So wie ihr richtet, werdet ihr selbst gerichtet werden." Wer wiederverheiratet Geschiedene als Ehebrecher denunziert, sollte sich an diese Worte Jesu erinnern und sein Urteil im eigenen Interesse überdenken.
Engelbert Frank

Re: Ehenichtigkeitsverfahren

Beitrag von Engelbert Frank »

Vielen Dank, dass Sie auf meinen Beitrag geantwortet haben. Ich habe keine eindeutige Meinung dazu, ob die katholischen Ehegerichte bei ihren Entscheidungen die gesellschaftliche Realität stärker berücksichtigen müssten.

Tatsache ist aber, dass eine Eheschließung immer dann kirchlich ungültig ist, wenn die Partner ein wesentliches Element der Ehe (zum Beispiel die Unauflöslichkeit) vor und bei der Heirat bewusst (aktiv) abgelehnen (ausschließen). Auch dann, wenn die Partner (zum Beispiel weil sie die katholische Ehelehre nicht verinnerlicht haben) etwas anderes als eine christliche Ehe (zum Beispiel eine auflösbare Ehe) wollen, ist die Eheschließung kirchlich ungültig.

Eine kirchliche Ungültigkeit liegt aber nicht vor, wenn sich die Partner vor der Heirat nur Gedanken über Ehescheidungen allgemein machen, für sich aber eine normale Ehe schließen wollen, ohne für ihre Ehe etwas Wesentliches abzulehnen und ohne für ihre Ehe etwas zu wollen, was der katholischen Ehelehre widerspricht.
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